Buchtipp: Die Gesellschaft der Singularitäten
Essen als Ausdruck von Lebenskultur wird in diesem Werk knapp, aber anschaulich beschrieben. Das Buch des deutschen Soziologen beruht auf der Hypothese von der postindustriellen Ökonomie der Singularitäten. Das Zeitalter der Massenproduktion und des Massenkonsums wird, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Digitalisierung, abgelöst durch das Streben nach dem Besonderen, den Singularitäten. Man findet diese Entwicklung in der Berufswelt (Stichwort: Flexible Spezialisierung), in den Lebensstilen, in der Politik.
Im Essen, im Wohnen, im Reisen manifestiert sich ein singularistischer Lifestyle auf besonders typische Weise. Hauptträger dieser Lebenseinstellung ist eine neue, gebildete und kaufkräftige, überwiegend urbane Mittelklasse. Sie definiert sich und ihr Leben über besonderes Essen, besonderes Wohnen, besondere Reisen. Und legt Wert auf besonderen Nachwuchs, der eine besondere Schule besuchen.
Chakteristika einer singulären Esskultur sind nach Reckwitz:
o Die globale Verbreitung sowohl globaler als auch regionaler Esskulturen. Die Globalisierung bewirkt eine Heterogenisierung des Essens, sie führt gleichzeitig dazu, dass die lokalen und regionalen Küchen in ihrer Einzigartigkeit erlebbar werden.
o Zweitens „erfolgt die Singularisierung des Essens über den ausgeprägten Experimentalismus der spätmodernen Küche. Ob in den Restaurants, den Kochbüchern und Kochsendungen oder am heimischen Herd: Das Kochen wird zu einer kreativen Praxis, die ganz auf Neues und Überraschendes setzt“.
o Drittens erleben wir die Ethisierung des Kulinarischen. „Es kristallisieren sich ethisch orientierte Ernährungsstile wie Vegetarismus und Veganismus heraus“.
o Viertens wird auch den Praktiken des Essens und Kochens ein ästhetisch-ethischer Wert zugeschrieben. Mit Freunden ins Restaurant essen zu gehen, ist in der urbanen Mittelklasse en vogue, aber auch das Bekochen Gleichgesinnter in den eigenen vier Wänden. Die Architektur hat darauf reagiert. Seit den 1990er Jahren beherrscht die offene Küche den Wohnraum.“ Im Kochen“ schreibt Reckwitz, „kann sich das ansonsten verkopfte, spätmoderne (Akademiker-) Subjekt als handwerklich tätiges, kreatives Subjekt erfahren, das sorgfältig und kenntnisreich mit Gegenständen natürlichen Ursprungs ganz direkt umgeht.“
Die Gesellschaft der Singularitäten
Autor: Andreas Reckwitz
Verlag: Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3-518-58706-5
Seiten: 480
Preis: € 28,00
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