Good News aus Wiener Neudorf
Der Lebensmittelhandel ist dieser Tage, da die Coronakrise in Italien und damit in Europa ungeahnte Ausmaße erreicht, ein Hort der Stabilität. Da können wir Österreicher froh sein, dass unser Land mit Hochleistungs-Nahversorgern tadellos ausgestattet ist. In diesem Sinn leisten die Good News, die der Handelszeitung aus dem Hauptquartier des LEH-Marktführers Rewe übermittelt wurden, einen konstruktiven Beitrag zu einem panikfreien Umgang mit den wirtschaftlichen Folgen der Epidemie.
Also: Die Rewe, die in letzen beiden Jahren da und dort den Eindruck der Desorientierung hervorrief, ist auf dem Weg der Besserung. Das ist kein flapsiger Werbespruch, sondern faktengestützes Fazit eines Fachmedien-Hintergrundgesprächs mit RIAG Vorstand Marcel Haraszti in dessen Büro in Wiener Neudorf.
Wir bleiben gleich bei der Fakten-Ausbeute dieser Talk-Runde, mit der die Rewe auch ein Signal der Transparenz setzte, was bei Österreich-Töchtern deutscher Handelskonzerne wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Hier die interessantesten Info-Happen, direkt aus dem gläsernen Rewe-Newsroom:
Billa und Merkur senkten Aktionsanteil
o Billa und Merkur traten 2019, wenn auch behutsam, auf die Aktionsbremse. Billa senkte den Aktionsanteil quer durchs Sortiment um 0,6% Punkte. Bei Merkur ging der Aktionsdruck um 1,8 %Punkte, also dreimal so stark zurück. Die Schar der Mitbewerber hingegen erhöhte in Summe den Aktionsdruck um 0,9% Punkte. „Wir haben uns auf das Kurantgeschäft konzentriert“, sagt Haraszti.
o Mit Erfolg, denn Merkur legte von 2018 auf 2019 beim Kurantgeschäft um 3,4% zu, Billa um 3,0%. Alle anderen Teilnehmer des Nielsen-Panels steigerten ihre Nicht-Aktions-Umsätze nur um 2,5%.
o Fokus aufs Kurantgeschäft bedeutet mehr Dauerniedrigpreise. Bei Merkur besetzen aktuell gleich 2000 Artikel diese Preisschiene. Ergebnis: Sowohl bei Billa als auch bei Merkur ist 2019 die Zahl der Kundenbesuche gestiegen. Und alle Rewe EH-Formate, also auch Bipa, Penny und Adeg haben gegenüber 2018 beim Umsatz zugelegt. Da wirkt sich auch der Jö Bonus Club positiv aus. Kleine Anmerkung zu Sutterlüty: Aufgrund der Rewe-Minderheitsbeteiligung zahlen die Umsätze der Ländle Märkte in den nationalen Rewe-Marktanteil ein, operativ aber übt die Rewe keinerlei Einfluss auf Sutterlütys Business aus.
Wie aber konnte es dazu kommen, dass Hauptmitbewerber Spar 2019 den Löwenanteil des LEH-Marktwachstums einstreifte? Haraszti hält sich an das ungeschriebene Gesetz, sich über einzelne Mitbewerber und deren Ergebnisse nicht zu äußern. Dem Beobachter drängt sich die Vermutung auf, dass mit der Verringerung des Aktionsdrucks bei den Rewe-Formaten die Bonsumme (Durchschnittseinkauf) zurückgegangen ist. So dass per Saldo der Rewe LEH-Marktanteil 2019 bei Nielsen gegenüber 2018 einigermaßen stabil blieb. Somit geht die Rewe Österreich aus dem Umsatzmatch des letzten Jahres zwar nicht als Sieger, aber auch nicht als Verlierer vom Feld. Das ist für einen Marktführer, der von allen Seiten angegriffen wird, kein so übles Resultat.
Zumal sich das Unternehmen in den beiden letzten Jahren nach dem Abgang des CEO Frank Hensel, der sich große Verdienste um die Hebung der Firmenkultur (Abkehr vom rüden Wlaschek-Führungsstil) erworben hat, in einer Phase der Umstrukturierung, verbunden mit großen Veränderungen im Management, befindet. Harasztis Zwischenbilanz der Rewe-Reformation: „Seit 2017 haben wir das internationale Geschäft in der RIAG gebündelt, das übertriebene interne Gegeneinander der Handelsfirmen beendet und mit der Jö Bonus Card ein für den österreichischen Markt maßgeschneidertes Multipartner-Kundenbindungs-Programm geschaffen“.
Jö schau, die Zahl der Jö-Fans in der Markenartikelindustrie wächst
Die im Frühherbst vergangenen Jahres hochgehenden Wogen der Aufregung unter einzelnen Industrie-Verbänden über das Jö-Projekt haben sich aus Sicht der Rewe-Verantwortlichen mittlerweile geglättet. Viele namhafte Markenartikelfirmen würden bereits eifrig von der Möglichkeit Gebrauch machen, in Zusammenarbeit mit der für Jö zuständigen Digitaltochterfirma der Rewe - unter Wahrung strenger Datenschutz-Richtlinien - Big Data Analytics vom Feinsten zu betreiben.
Ein Team von rund 100 (!) hochqualifizierten Mitarbeiterinnen betreut das Jö-Programm. 3,8 Millionen Karten befinden sich aktuell in den Geldbörsen der Konsumenten. Und weil schon von den digitalen Verkaufsförderungstools die Rede ist: Click & Collect boomt zurzeit bei Billa, der weitgehend „kontaktlose“ Einkauf, den dieses System bietet, wird von Corona-ängstlichen Kunden besonders geschätzt.
Bereich Ware: Beschaffung und Category Management in einer Hand
Aus Lieferantensicht stellt die Bündelung des Bereichs Ware, sprich die Stärkung des Zentraleinkaufs für die Handelsfirmen Billa, Merkur, Bipa und Adeg/AGM den wichtigsten Reformschritt dar. Im Bereich Ware sind Einkauf und Category Management für die genannten Formate in einer Hand.
Haraszti veranschaulicht die Vorteile dieses Systems: “Nehmen wir als Beispiel den Category Manager für das Nudel-Regal. Er bestimmt Sortiment, Preismanagement und Aktionen für die Nudel-Regale in den Handelsfirmen, vom kleinen 300 m2 Billa-Nachbarschaftsmarkt bis zum 2.000m2 großen Merkur. Und er ist damit der einzige Gesprächs- und Verhandlungspartner der Lieferanten in dieser Warengruppe.“
Dass Jan-Peer Brenneke seinen Job als Vorstand Ware der Rewe International schon nach kurzer Zeit an den Nagel hängte und das Unternehmen aus persönlichen Gründen verließ, ändert nichts daran, dass die Rewe am neuen Modell des gebündelten Warengeschäfts bei den Vollsortiments-Formaten festhält. „Wir sind durch die Bündelung schneller bei unseren Sortimentsentscheidungen geworden“, betont Haraszti und „Billa und Merkur kennen ihre Kunden genauer“. Will heißen, dass das Gegeneinander der Handelformate und ihrer Sortimentsstrategien von einem synergetischen Miteinander abgelöst wird.
Heimische Lieferanten brauchen nicht nach Köln oder Brüssel zu pilgern
Der Einfluss „von oben“ auf das Warengeschäft in Österreich hält sich laut Haraszti in engen Grenzen. Die Einkaufskooperation Eurelec mit Sitz in Brüssel verhandle nur „mit einer Handvoll internationaler Markenartikel-Großkonzerne“ über on-Top-Konditionen. „Für 99% unserer Lieferanten, insbesondere für alle österreichischen Produzenten sind wir die einzige Ansprechstelle.“ Was zu bedeuten hat, dass auch die Rewe Köln dem Ware-Team in Wiener Neudorf freie Hand bei Sortiment und Einkauf gewährt. Das schließt freilich nicht aus, dass man sich über die Konditionen internationaler Lieferanten austauscht. Und dass die Rewe wie alle großen Mitbewerber auf internationale Bündelungseffekte beim Eigenmarken-Sourcing nicht verzichtet, liegt auf der Hand.
„Local statt global“ ist hingegen das Leitmotiv der Rewe Sortimentsstrategie bei den Frischwaren. Höhepunkt dieses pro Austria-Kurses ist das ab Mitte Mai anlaufende Billa-Programm „100% Fleisch aus Österreich“. Dass Billa seinen Kunden dieses Versprechen nicht nur für Rind- und Schweinefleisch, sondern auch für Frischgeflügel, einschließlich Putenfleisch abgibt, markiert einen Meilenstein in der Rewe-Zusammenarbeit mit der österreichischen Landwirtschaft: Mehr darüber ein anderes Mal.
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