Lebensmittel „auf Rezept“
Um eine spektakuläre Facette reicher ist die Diskussion um gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln und in der Werbung dafür: Der französische Lebensmittelkonzern Danone hat jetzt gegen die Agrarmarkt Austria (AMA) eine Unterlassungsklage eingebracht, weil die AMA damit wirbt, dass jedes Joghurt die Abwehrkräfte stärkt. Diese Wirkung reklamiert Danone aber exklusiv für sein „Actimel“.
Danone will, dass das Handelsgericht Wien mittels einstweiliger Verfügung die AMA zur sofortigen Einstellung ihrer Kampagne verpflichtet. Diese sei wettbewerbswidrig, weil sie sich einseitig gegen die Werbeaussagen der Danone-Produkte Actimel und Activia richte, so die Franzosen.
Die AMA wiederum beruft sich in ihrer Stellungnahme auf diverse internationale wissenschaftliche Studien, wonach im Grunde jedes Joghurt positiv für die Gesundheit sei. Mitte Mai ist mit einer Entscheidung in dieser Causa zu rechnen.
Tatsächlich kämpft die Industrie aber europaweit mit diesem Problem. Die EU verlangt nämlich jetzt Nachweise für gesundheitsbezogene Angaben bei Nahrungsmitteln. Zwei Anträge dafür bei der EU-Agentur hat Danone jüngst zurückgezogen, und in Frankreich sowie England wurde die Werbung bereits umgestellt.
Milchprodukte machen 60 % des weltweiten Danone-Gesamtgeschäftes aus, wobei die beiden nun umstrittenen Produkte dem Vernehmen nach im Vorjahr 3,7 Mrd. € Umsatz brachten. Auch in Österreich ist Activia das meistverkaufte Joghurt.
Functional Food boomt
Doch Danone ist nur einer von vielen Herstellern, die mit functional food gute Geschäfte machen. Wer heutzutage in einem modernen Supermarkt einkauft, könnte glauben, in einer Apotheke zu sein: Funktionelle Lebensmittel wohin man auch schaut. Diese Produkte sollen mit zusätzlichen Inhaltsstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Bakterienkulturen einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben.
Seit 2007 ist die „Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“ (Health Claims Verordnung; HCVO) der EU in Kraft. Hersteller von Lebensmitteln können seitdem Health-Claim-Anträge bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einreichen.
Die Health Claims Verordnung regelt, dass Hersteller nur dann nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung und Kennzeichnung von Produkten verwenden dürfen, wenn diese den von der EFSA entwickelten Nährwertprofilen entsprechen. Betroffen sind davon nicht nur Aussagen wie „fettarm“ oder „reich an ungesättigten Fettsäuren“, sondern vor allem auch Aussagen wie „gut für die Verdauung“, „stärkt das Immunsystem“, „hält jung“ und ähnliche.
Die Behörde hat mittlerweile rund 1000 von insgesamt über 4000 Anträgen geprüft, die nach der Kürzung der ursprünglichen Liste auf ein Zehntel übrig geblieben sind. Rund zwei Drittel wurden von der EFSA als wissenschaftlich nicht nachgewiesen oder ungenügend dokumentiert abgelehnt. Gestützt auf diese Prüfungsergebnisse wird die EU-Kommission entscheiden, welche Angaben für den EU-Markt zugelassen und in die Gemeinschaftsliste – oder „Positivliste“ – aufgenommen werden. Die abgelehnten Claims kommen auf eine Negativliste und müssen danach innerhalb von 6 Monaten von allen Packungen und in der Werbung verschwinden.
„Positivliste“: bitte warten...
Eigentlich sollte die vollständige Positivliste Ende Jänner dieses Jahres veröffentlicht werden. Doch mit der Hälfte der Sprüche, die die Europäische Kommission zusammengestellt hatte, war sie unzufrieden und gab sie zur Überarbeitung zurück. Die Begründung: zu unklar formuliert. Nun werde es wohl bis 2011 dauern, wird eine Sprecherin der Europäischen Kommission zitiert.
Dr. Petra Burger, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Danone Österreich, sagt im Gespräch mit der Handelszeitung: „Die Produktversprechen von Actimel und Activia sind nicht in Frage gestellt. Ihre Wirksamkeit ist in zahlreichen klinischen Studien wissenschaftlich belegt. Es gibt aber Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Verordnung. Die EFSA kennt diese Problematik und hat daher kürzlich angekündigt, am 1. Juni 2010 erneut eine Konferenz für alle Beteiligten zu veranstalten, um sämtliche Bewertungskriterien und -regeln klarzustellen und zusätzliche Empfehlungen im Hinblick auf die EU-Verordnung abzugeben. Die Entscheidung von Danone, zwei Health Claims Anträge (Actimel und Activia) vorübergehend zurückzuziehen, ist logisch und entspricht vollkommen Danones pragmatischem Umgang mit der Umsetzung der EU-Verordnung. So wie andere große Lebensmittelhersteller wollen auch wir die weiteren Erläuterungen der EFSA bei diesem Meeting abwarten.“
Der Rückzug der Anträge werde für Danone keine spürbaren Konsequenzen haben, weder auf den Verkauf noch auf die Kommunikation, so Burger. Im Juli 2009 hatte die EFSA bestätigt, dass das Danacol-Joghurt von Danone hilft, den Cholesterinspiegel zu senken.
Ferrero Italien hat beantragt, den Kinder-Claim „hilft dem Wachstum“ als gesundheitsbezogene Aussage für das Produkt „Kinder Schokolade“ zuzulassen. Die EFSA hält die von Ferrero vorgelegten Studien für nicht ausreichend, um diese Aussage wissenschaftlich zu stützen.
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