
Schauermärchen der GPA über Personalkosten im Einzelhandel
Die KV-Verhandlungen im Handel sind zwar seit 9. November 2016 abgeschlossen, einige Aussagen in dieser Cause wirken aber noch nach. Der Grund dafür waren fachliche Mängel einer AK-Studie - was der Sache mehr schadete, als half.
„Der Personalaufwand belaufe sich in Summe auf nur 13% der Gesamtkosten der Händler, während der Wareneinsatz 70% davon verschlinge“. Mit diesem Satz zitiert der „Standard“ vom 19. Oktober 2016 Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichs-Sekretärin der Gewerkschaft DPA-djp und Chefverhandlerin der Arbeitnehmerseite bei den diesjährigen KV- Verhandlungen für 286.000 Handelsangestellte. Das Statement bezieht sich auf einen aktuellen „Stresstest Handel “, ein internes Papier der Arbeiterkammer, das auf der Bilanzauswertung von mehr als 200 Handelsunternehmen beruht. Palkovich zog aus den genannten Stress-Test-Ergebnissen den Schluss, dass „eine Erhöhung der Personalkosten um fünf Prozent im Gegensatz zu höheren Einkaufspreisen nur unwesentlich auf andere ökonomische Kennziffern durchschlage“.
Stresstest der anderen Art
Auch wenn die KV-Verhandlungen mittlerweile zu einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss führten, der Palkovich-Sager von den 13% Personalkosten im Handel und ihrem niedrigen Stellenwert im Rahmen der Gesamtkosten unterzogen die Nerven unserer Kaufleute, Handelsmanager und Branchenvertreter einem gehörigen Stresstest. „Wer behauptet, dass Personalkosten im Handel nur einen geringen Teil der Gesamtaufwendungen ausmachen, hat offenkundig falsches Zahlenmaterial zur Verfügung“, konterte der Handelsverband in seiner Aussendung vom 20.Oktober 2016. Und in seinem Mail an die Handelszeitung schrieb HV-Geschäftsführer Rainer Will: „Selbst einfache betriebswirtschaftliche Begriffe wurden seitens der AK/Gewerkschaft verwechselt und wieder einmal wurde die Handelsbranche in Misskredit gebracht.
Gesamtkosten in astronomischen Höhen
Was ist der sachliche Hintergrund dieser Auseinandersetzung? Die AK-Studie bedient sich eines Kostenbegriffs, der in der Handels-Betriebswirtschaftslehre ganz und gar unüblich ist. Sie betrachtet nämlich auch den Wareneinsatz als Kostenposition. Daraus resultieren Gesamtkosten in astronomischer Höhe. Bei einem Gewinn von 2%, würden sich demnach Gesamtkosten in Höhe von 98% des Umsatzes ergeben. Wie unsinnig diese Betrachtungsweise ist, kann man im Handbuch des Europäischen Handelsinstituts (EHI) „EHI Handelsdaten aktuell 2014“ nachlesen.
Da werden in einer Tabelle die Personal- und Gesamtkosten in % des Nettoumsatzes verschiedener Formate des deutschen LEH (Stand 2013) ausgewiesen:
Supermärkte: 13,1% Personalkosten, 22,3% Gesamtkosten
Große Supermärkte: 12,6% Personalkosten, 21,7% Gesamtkosten
SB-Warenhäuser: 11,7% Personalkosten, 20,9% Gesamtkosten
Fehlinterpretation mit Folgen
Fazit: Die Personalkosten sind die mit Abstand größte Kostenposition im Lebensmittel-Einzelhandel, ihr Anteil an den Gesamtkosten liegt bei 54 bis 55%. Wenn also die AK-Studie davon spricht, dass die Personalkosten nur 13% der Gesamtkosten der Händler ausmache, verbreitete sie, egal ob bewusst oder aus Unkenntnis einen hanebüchenen Unsinn.
Auch bei genauem Studium des Bilanzvergleichs, den die KMU Forschung Austria jährlich vorlegt und der auf der Auswertung von 16.058 betriebswirtschaftlich korrigierten Steuerbilanzen von Handelsunternehmen beruht , ist zu erkennen, wie falsch die AK mit ihrer Annahme lag, die Personalkosten machten nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten im EH aus. Für die Jahre 2013/2014 nennt der Bilanzvergleich der KMU Forschung für den Einzelhandel (ohne KFZ-Handel) folgende Kennzahlen:
Betriebsleistung (Nettoumsatz): 100,0%
- Handelwareneinsatz: 65,8%
= Rohertrag 34,2%
sonstige Erlöse 2,7%
es folgen einzelne Kostenpositionen:
Personalkosten 17,0%
Abschreibungen 2,0%
Sonst. betriebliche Aufwendungen 15,7%
Daraus resultieren Gesamtkosten in Höhe von 34,7% des Umsatzes, sie sind also höher als der Rohertrag (Bruttospanne). Von den Gesamtkosten entfallen somit auf die Personalkosten knapp 50%.
Rechnen wir weiter: Rohertrag (+ sonstige Erlöse) minus Kosten ergibt einen Betriebserfolg von 2,2%. Das EGT(wo Finanzerträge und Finanzierungskosten=Zinsen mit berücksichtigt sind) beträgt ebenfalls 2,2 % vom Nettoumsatz. Das heißt: Die Personalkosten im EH sind laut KMU-Forschung um 8,5 mal höher als der betriebswirtschaftliche Gewinn!
Auf die Zusammensetzung kommt es an
Gemessen am kapitalen Irrtum, den die AK bei der Interpretation der Personalkosten als Bestandteil der Gesamtkosten im Handel unterlag, ist die Diskussion darüber, ob die Personalkosten mit 12,7 bzw. 13% vom Umsatz zu niedrig ausgewiesen wurden, fast schon nebensächlich. Immerhin kommt die KMU-Forschung nicht auf 13 % sondern auf 17,0% Personalkosten, dass in Deutschland (siehe EHI-Zahlen) die Personalkosten im LEH aus strukturellen Gründen etwas niedriger sind als bei uns, ist bekannt. Entscheidend für das Ergebnis ist auch die Zusammensetzung des Stresstest-Samples aus zweihundert nicht näher beschriebenen Firmen. Dem KV-Verhandlungsteam der Wirtschaftskammer war aufgefallen, dass ein namhaftes Filialunternehmen der Konsumelektronik mit über 20 Bilanzen Eingang in die Datenbank fand, was natürlich zu einer Verzerrung des Durchschnittswertes führt. Kein Wunder, dass bei so vielen fachlichen Mängeln der AK-Studie die wirtschaftspolitische Diskussion zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite keinen Fortschritt in der Sache sondern nur Frust und Hickhack produzierte
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