Weit über den Tellerrand geblickt
Sie nennen sich „Orpheus“, „Levante“, „Creperie“, „ Tsing Tao“, „Zur böhmischen Kuchl“ oder „Alef-Alef“ – und das ist nur ein kleiner, nicht wirklich repräsentativer Auszug –, und sie stehen stellvertretend für Lokale der internationalen Küche.
Ganz offensichtlich decken sie alle einen nicht unwichtigen Bedarf, denn wenn die in ihren mehr oder weniger authentischen Lokalitäten wirkenden Chefs de cuisine ihre Gäste mit Fernöstlichem, Levantinischem oder Südländischem verwöhnen, dann greifen sie auf Küchengeheimnisse zurück, deren Ursprung oft in vielen Kilometern Luftlinie entfernten Kochtöpfen liegt.
Aber Vorsicht! Haben die gelegentlich von Fernreisen (oder auch nur solchen zur böhmischen Großtante) erschmeckten Feinheiten einmal Gaumen und Geschmacksknosperln echter oder eingebildeter Gourmets infiziert, sind erst olfaktorische und haptische Reize im Unterbewussten nachhaltig abgespeichert, dann hilft keine noch so patriotische Gegenreformation. Dann haben Wiener Schnitzel, Tiroler Gröstel und Linzer Torte ausgedient, dann muss Außergewöhnliches her – und das nicht nur im Haubenrestaurant oder beim Chinesen am Eck!
Wie schön, dass ein umfangreiches und von Industrie und Handel wohl gepflegtes Repertoire an Basis- und Fertiggerichten, an Gewürzen und Kochgeräten die Veranstaltung exklusiver kulinarischer Feste nun auch innerhalb der eigenen vier Wände, im Garten, auf der Terrasse oder am Balkon ermöglicht. Und das zu durchaus akzeptablen Preisen, die es einem ersparen, es Coelius Apicius gleichzutun: dieser bekannte Feinschmecker und Autor des ersten Kochbuchs der Welt musste anlässlich eines Kassensturzes feststellen, dass sein Vermögen nur noch 10 Millionen Sesterzen betrug, was immerhin dem zehnfachen Mindestvermögen eines römischen Senators entsprach. Damit war dann Schluss mit lustig, zu wenig Geld für Fraß und Völlerei – Apicius nahm Gift und verabschiedete sich aus dieser schnöden Welt.
So gesehen haben’s wir Heutigen leicht: Daher also schnell ab zum Kaufmann oder in den Supermarkt, denn dort findet sich allerlei Wohlfeiles und Fremdländisches, welches die Küche wahlweise nach Jesolo, Shanghai, Timbuktu oder Karlsbad duften lässt und was die zur Verkostung gebetenen Gäste zu euphorischen Begeisterungsstürmen animieren sollte.
Zahlen die motivieren
Exotisches liegt in der Tat gut im Trend: mengenmäßig betrachtet lag der Anteil der vom Lebensmitteleinzelhandel im vergangen Jahr umgesetzten internationalen Fertiggerichte bereits bei 38% (Quelle: RollAMA/AMA Marketing). Im Vergleich dazu brachten es traditionelle Fertiggerichte nur noch auf 20%. Wertmäßig waren immerhin 33% (traditionelle: 22%) zu verbuchen.
Wirft man einen Blick auf die von den Haushalten für internationale Fertiggerichte getätigten Ausgaben, so fällt (fast erwartungsgemäß) auf, dass hier Wien mit einem jährlichen pro Kopf Wert von 15,2 Euro in Führung liegt. Die Niederösterreicher (mit 9,1 Euro) geben sich derzeit bei Internationalem noch ein wenig zögerlich. Ethno-Food im Fertig-Format entspricht auch ganz offensichtlich maßgeschneidert den Bedürfnissen kleiner Haushalte (in Einpersonen-Haushalten werden pro Kopf erstaunliche 17,5 Euro für internationale Fertiggerichte ausgegeben) in Ballungsgebieten (15,6 Euro in Gemeinden über 50.000 Einwohner).
Dabei schmeckt Ethno den jungen Haushaltsführerinnen und Haushaltsführern offensichtlich besonders gut: die Beobachtungsgruppen der bis 49jährigen sind durchschnittlich mit jährlichen 14 Euro/Kopf mit dabei.
Auf den Punkt gebracht
Für Ethno-Produkte findet sich bereits eine vielversprechende, interessierte und wohl auch ständig größer werdende Zielgruppe. Diese Zielgruppe, deren Bedürfnisse, Vorlieben und Kaufgewohnheiten wird man weiterhin genau beachten und deren Mitglieder vor allem mit Umsicht und entsprechendem Engagement bedienen müssen.
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